Am vergangenen Mittwoch, den 22. Nov. 2017, lud die 4pGroup erneut zu einer Impulsveranstaltung im Kloster Andechs ein. Dieses Mal zum Thema: „Das Geheimnis“ – lebendiger Gesellschaften, Unternehmen und Menschen“
Veranstaltungsthema „Lebendigkeit“
Erfolgreiche Gesellschaften, Unternehmen und Menschen verlieren oft ihre Lebendigkeit im Strudel der Zeit, die geprägt ist von Schnelligkeit und Veränderungen. Aus diesem Grund haben wir uns in der diesjährigen Impulsveranstaltung fernab des unternehmerischen Alltags dem Thema Lebendigkeit gewidmet. Wir wollten gemeinsam klären, was sich genau hinter dem vielfältigen Begriff Lebendigkeit verbirgt.
Und welcher Ort könnte sich hierfür besser eignen als ein Kloster? Auch dieses Jahr öffneten uns Abt Dr. Johannes Eckert und seine Benediktinermönche in Kloster Andechs wieder die Türen. Dieses Mal durften wir unsere Impulsveranstaltung in der ehemaligen Kloster-Bibliothek mit altehrwürdiger Ahnengalerie und imposanter Barock-Deckengestaltung abhalten.
Im Mittelpunkt der Impulsveranstaltung standen folgende Fragen:
- Was macht eine lebendige, zukunftsfähige Gesellschaft aus?
- Wie erhält man nach der Euphorie des unternehmerischen Anfangs die Unternehmung und seine Menschen über Veränderungsprozesse hinweg „lebendig“, sodass sie weiter offen für Neues sind, aber in ihrem Kern stabil bleiben?
- Und wie schaffen wir es selbst, immer wieder zu staunen und bereit zu sein, Neues zu entdecken und uns darauf einzulassen?
„Was bewegt mich zum Thema Lebendigkeit?“
Zu Beginn der Veranstaltung durfte jeder Teilnehmer aus einer Auswahl verschiedener Bildmotive ein Impuls-Kärtchen auswählen, welches er oder sie am ehesten mit „Lebendigkeit“ assoziiert. Anschließend hieß es: Stift zücken und erste Gedanken zum Lebendigkeitsbegriff notieren: „Was bewegt mich zum Thema Lebendigkeit?“ Alle Teilnehmerantworten wurden im Anschluss auf einer Pinnwand fixiert und demonstrierten anschaulich, wie unterschiedlich doch unsere persönlichen Interpretationen von Lebendigkeit sind.
Hier einige beispielhafte Deutungen und Anmerkungen der Teilnehmer zu Lebendigkeit:
- „Lebendigkeit = Emotionen spüren, Gefühle entstehen lassen (positive wie negative) und darauf reagieren…sich neu erfinden“
- „Lebendigkeit ist das Hier und Jetzt, Selbstverwirklichung, Freiheit, der „Flow-Zustand“, Tatendrang, Kreativität, Freude und Vertrauen“
- „Aufeinander zugehen, Freude am Leben“
- „Für mich bedeutet Lebendigkeit Motivation und Menschlichkeit. Erst wenn der Mensch er selbst sein kann und sich in seinen Zielen und Wünschen erfüllt sieht, wird er lebendig sein.“
- „…Teil sein eines großen Ganzen und eine sinnvolle Rolle darin spielen mit positiven menschlichen Interaktionen“
Das Museum deines Lebens
Zur Einstimmung wurde den Teilnehmern der Kurzfilm „Das Museum deines Lebens“ vorgeführt. In einem solchen fiktiven Museum schmücken alle Momentaufnahmen unseres Lebens die ausgestellten Fotoleinwände. Die Frage: Was würden wir am Ende unseres Lebens in diesem Museum sehen? Momente der Lebendigkeit? Oder eher Momente voller freudloser Aktivitäten? Szenen aus einem Beruf, den man nie mochte? Provokante Fragen! Dies zeigten auch die Reaktionen der Teilnehmer. Denn hier wurde erneut klar, wie unterschiedlich jeder Teilnehmer Lebendigkeit deutet. Letztendlich ist jedoch jeder von uns selbst Kurator seines eigenen Museums. Wir bestimmen, wie wir unsere Lebensausstellung gestalten wollen und welchen Raum wir Familie, Freunden, Freizeit und Arbeit in welchem Verhältnis einräumen wollen, um uns lebendig zu fühlen.
Vorträge und Referenten
Auch dieses Jahr konnten wir wieder herausragende Referenten für unsere Impulsveranstaltung gewinnen. Jeder Vortragende ermöglichte es uns, das Thema Lebendigkeit aus einem unterschiedlichen Blickwinkel zu betrachten.
Was macht eine lebendige Gesellschaft aus?
Der ehemalige Bundestagspräsident Herr Dr. W. Thierse, vermittelte uns aus seiner Sicht, was eine lebendige Gesellschaft ausmacht, die den globalen Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.
Die Wiedervereinigung – eine Verlebendigung von Geschichte
Aufgewachsen in der DDR, die in ihrer Endphase einem kaum lebendigen eher „halbtoten“ Gebilde glich, erlebte er den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands als regelrechten Befreiungsschlag aus einem extrem beengenden System. Das Jahr 1989 markierte für ihn den Aufbruch in eine neue Welt voller Lebendigkeit. „Wir erlebten eine Verlebendigung von Geschichte…eine Überwindung der Angst, aus der sich die halbe Macht der Diktatur speist“.
Unsere heutige Zukunftsunsicherheit – bedrohlichen Züge für Lebendigkeit?
Nachdem Dr. Thierse die Zuhörer auf eine kurze Reise in seine Vergangenheit und den Beginn seiner politischen Karriere mitgenommen hatte, widmete er sich unserem aktuellen Zeitgeschehen. Unsere Gesellschaft, so Thierse, sei von einem eigentümlichen Zwiespalt gekennzeichnet. Auf der einen Seite zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der Deutschen mit ihrer sozialen und ökonomischen Lage zufrieden ist, auf der anderen Seite klagt eine ebenfalls große Menge über starke Zukunftsunsicherheit und soziale Ungerechtigkeit. Dieses Krisenempfinden einer gespaltenen Mitte fand letztlich auch Ausdruck in den Wahlergebnissen der AfD.
Hier kann man nicht mehr von einer positive Lebendigkeit sprechen! Ganz im Gegenteil wird heute ein vertrauter angstgetriebener Mechanismus wieder sichtbar, den sich schon die Nationalsozialisten zu eigen gemacht haben. Dies ist die Stunde des Populismus, meint Thierse. Je bedrohlicher die Situation scheint, desto höher ist in der Gesellschaft der Drang nach einer einfachen Lösung, welche autoritäre Regime und Extremisten scheinbar liefern. Thierse fordert, dass wir dieser Schnelligkeit der Diktatur die Langsamkeit der Demokratie gegenüberstellen.
Teilnehmer-Diskussionsrunde zum Thema Lebendigkeit in der Gesellschaft
In einer abschließenden Diskussionsrunde erhielten die Teilnehmer die Möglichkeit, Ihre Gedanken zur aktuellen politischen Lage zu äußern. Es wurde unter anderem diskutiert, wie man mit einer solchen negativen Lebendigkeit am besten umgehen kann. Sowohl im gesellschaftlichen Rahmen als auch im Unternehmenskontext rät Thierse, Ängste aller Beteiligten ernst zunehmen. Schulterklopfen, ein Herunterspielen der Situation und ein plumpes „Wir schaffen das!“ sind für ihn der falsche Weg.
Wie erfindet sich ein lebendiges Unternehmen immer wieder neu?
Als zweiter Sprecher zeigte uns Herr J. Geiger, Geschäftsführer und Mitinhaber der Geiger Group sowie Präsident des Bayerischen Bauindustrieverbands, auf, wie es seiner Familie bisher gelungen ist, das Unternehmen durch die Herausforderungen der Zeit und des Wandels als lebendiges Unternehmen zu steuern.
Wenn ein Unternehmen lebendig sein will, muss es dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter lebendig sind. Wir müssen unsere Mitarbeiter also gleichermaßen fördern und fordern, ihnen Sinn vermitteln, sie selbst entscheiden lassen, ihnen aber klare Ziele vorgeben und Werte vorleben. Einfacher gesagt als getan. Oft verkümmern solche Vorsätze in Unternehmen zu hohlen Floskeln – niedergeschrieben in Mission-Statements und Leitsätzen, die keiner im Unternehmen wirklich lebt. Dass dies aber auch anders gehen kann, zeigte uns Herr Geiger und bot uns interessante Einblicke in sein Familienunternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern.
Was bedeutet Lebendigkeit aus Sicht einer Opernsängerin?
In Vortrag Nummer drei brachte uns die Opernsängerin und Musiktherapeutin Frau Isabell Münsch das Thema Lebendigkeit aus der Perspektive der Musik näher.
Ihrer Meinung nach folgt das Geheimnis von Lebendigkeit keinen fertigen Konzepten. Mit einer Auswahl verschiedener Musikstücke brachte sie uns Ihre Interpretation von Lebendigkeit singend und musizierend näher:
- Um einen zauberhaften Regenbogen zu sehen, bedarf es Sonne und Regen
- Lebendig sein, bedeutet im Einklang sein, in Resonanz gehen mit jemanden. Jeder von uns muss seinen eigenen Arbeits- und Lebensrhythmus finden!
- Lebendigkeit ist eine Kraft, die auftankt, motiviert und weist
„Leben lernen durch singen lernen“
Sie selbst erlebt in ihrer Arbeit als Musikerin tagtäglich diese Lebendigkeit. Das Singen ist für sie nicht nur ein Beruf: „Man ist das. Man lebt das. Man atmet darin!“ Auch sie musste erst lernen, wie man am besten mit Druck im Berufsalltag umgeht. Ihr Credo lautet „Leben lernen durch singen lernen“. Der Schlüssel ist für sie das Hier und Jetzt. Ein lebendiges Jetzt durch Bewusstseins- und Achtsamkeitstraining, Vertrauen und Selbstbewusstsein.
„Sammle deinen Geist dort, wo du bist mit einem für den Augenblick geschärften Bewusstsein…Es gibt keinen anderen Ort als Hier“ (Tibetische Weisheit)
Präsent sein und doch loslassen
Für Frau Münsch steckt hinter dem Geheimnis der Lebendigkeit der Zustand, in dem Verstand, Herz und Geist zusammenfließen. Eine natürliche Kraft, von der man sich einfach tragen lässt und durch die alles im Einklang ist:
- Flow (Tätigkeit, die wie von selbst von sich geht)
- Wu Wei im Daoismus (im Hier und Jetzt leben)
- Kreativität (geschehen und wachsen lassen, Aktivität und Passivität)
Ihre Botschaft an das Publikum ist es loszulassen und für das bereit zu sein, was durch uns Ausdruck finden möchte. „Jeder von uns hat ein Talent. Jeder Ihrer Mitarbeiter hat ein Talent. Suchen Sie es nicht, finden Sie es!“
Wie finden und erhalten wir unsere Lebendigkeit?
Den letzten Vortrag hielt Dr. Johannes Eckert, Vorstand von Sankt Bonifaz und Abt des Klosters Andechs. Was bedeutet es für Menschen, “auf der lebendigen Spur ihres Lebens zu sein? Wie finden und erhalten wir unsere Lebendigkeit? Was zeichnet ein gelingendes Leben aus? Wie bleiben wir offen für das Neue und Unbekannte?
„Stabilitas“ – Ein wesentlicher Grundsatz der Benediktinermönche
Die Suche nach Lebendigkeit im Alltag ist keineswegs nur ein Phänomen, das Mitarbeiter klassischer Unternehmen betrifft. Auch ein Mönch wie Abt Eckert steht vor dieser Herausforderung. Jeden Morgen schon vor fünf Uhr aufstehen, jeden Morgen Tagebuch schreiben, meditieren und beten, jeden Morgen ja sagen zu den Ordensbrüdern und dem geistlichen Leben im Benediktinerorden. „Bei sich daheim sein, mit sich vertraut sein, zu sich selbst finden, sich selbst annehmen“ das ist der Weg des Mönchs. Diesen Weg der Selbstfindung und -akzeptanz beschreiten Abt Eckert und seine Klosterbrüder jeden Tag aufs Neue. Dabei ist es ihnen wichtig, im Klosteralltag und während ihrer Arbeit im klostereigenen Brauereiunternehmen niemals das Wesentliche des Mönchtums aus den Augen zu verlieren. Diese fortwährende Selbsterforschung und Rückbesinnung folgt ganz ihrem Prinzip der „Beständigkeit“ (lat. „stabilitas“). Ein Lebensgrundsatz, der auch uns Nicht-Geistlichen zu einem lebendigeren Leben verhelfen kann.
Unser Fazit: Jeder von uns muss sich auf die Suche begeben und Lebendigkeit finden, für sich selbst, für das Unternehmen und für die Mitarbeiter!
Weitere Impressionen zur Veranstaltung
Seien Sie bei der nächsten Impulsveranstaltung im Kloster Andechs am 21. November 2018 dabei! Es erwarten Sie wieder spannende Vorträge und Referenten.
Unser Thema 2018: „Das Unerwartete“ >> Mehr erfahren